"Ja, man könnte es als Drohung auffassen. Als Drohung zum Verhungern. Ich bin seit vielen Tagen bereits in dieser Stadt und mir ist nicht ein nennenswertes Tier untergekommen, von dem man sich hätte nähren können. Diese Stadt mag von der Natur teilweise zurückgeholt worden sein, doch die Tiere meiden Sie noch immer."
„Wir sind nicht in der Hoffnung auf Beute hier.“
Zischte Tinùviel zurück, lockerte ihre Haltung jedoch ein winziges Bisschen als der Rüde vollends aus dem Nebel trat und sich vorstellte. Zwar traute sie keinem einzigen Wort des Fremden, aber eine andauernde feindselige Haltung hatte noch nie jemanden ans Ziel gebracht. Die Weiße beachtete sein Grinsen nicht. Stattdessen sah sie sich misstrauisch nach den anderen um. Diese ganze Situation ging ihr gewaltig gegen den Strich. Trotzdem… vielleicht war das die Chance, nach der sie gesucht hatten.
"Ich kenne weder die Fähe noch den Rüden, aber von keinem der beiden geht wirklich eine Gefahr aus. Teleri ist noch sicher."
Noch?! Tinùviel sah schnell zu dem weißen Rüden, dann zu der grauen Fähe, die sich ihnen näherte und zu dem Schwarzen gesellte. Sie knurre leise und ihre defensive Haltung verstärkte sich wieder.
„Ich kann dir versichern weder ich noch meine Gefährtin sind an einem Kampf interessiert. Dazu haben wir nicht die Kraft. Außerdem glaube ich uns gegenseitig zu töten wäre das mit Abstand Dümmste was wir nun tun können. Die Zeit der Stürme naht und wir sind, so wie ich das sehe, alle allein unterwegs. Und...... zudem glaube ich das wir nicht ganz allein sind.“
Die Weiße erwiderte nichts. Sie wusste ja schon länger, dass sich hinter ihnen noch jemand befand. Doch in Gedanken stimmte sie den Worten des Fremden beinahe zu. Die Zeit der Stürme neigte sich dem Ende zu und die Zeit der Kälte nahte unerbittlich. Alleine mit Teleri würde es ein harter Winter werden… Vorsichtig trat Tinùviel einen Schritt zurück und gab ihre feindselige Haltung für den Moment auf. Zumindest in diesem Moment schienen die anderen noch keine bösen Absichten zu hegen.
„Ich bin Tinùviel…. Das ist meine Tochter Teleri.“
sagte sie steif und versuchte ein schwaches Lächeln. Es glich mehr einer Grimasse, aber der Wille zählte ja vielleicht auch… Inzwischen hatte es heftiger begonnen zu schneien und der auffrischende Wind hatte die Nebelschwaden weitgehend auseinander getrieben. In der zunehmenden Dunkelheit stoben dicke Schneeflocken durch die Luft und bildeten kleine Schneeverwehungen. Die Temperatur sank spürbar… Anscheinend würde es heute Nacht ziemlich ungemütlich werden. Über der Gruppe von Wölfen ballten sich dicke Wolken zusammen und kündigten einen gewaltigen Herbststurm an, begleitet von Schnee und schneidender Kälte.
Teleri. Das war der Name der Welpe. Sie war naiv und hatte wohl keinerlei Angst. Doch ihre Mutter hatte diese sehr wohl. Sie versuchte ihre Tochter zu schützen und began mit dem Weißen zu reden. Diff fragte sich, was dieser überhaupt wollte. Redete so schlau daher und ging den anderen auf die Nerven. Das war der Grund, warum sie sich nicht eingemischt hatte. Um niemanden zu stören. Doch mittlerweile hatten die anderen sie gehört, ihre Rute peitschte die ganze Zeit unruhig hin und her und die Ohren der Fremden zuckten immer wieder in ihre Richtung. Auch egal, sie hatte ja sowieso vorgehabt, sich zu zeigen. Der weiße Koloss stellte sich als Vivir vor. Auch er hatte die Graue entdeckt und behauptete, dass von ihr keine Gefahr ausging. Die Augen der Fähe verengten sich. Sie hasste es, wenn jemand sie so schnell abschob, so oberflächlich mit ihr umging. Wie konnte er sich überhaupt so sicher sein? Er konnte ihre körperliche Stärke überhaupt nicht einschätzen, alles was er von ihr wahrnahm war ein Umriss. Sein voreiliges Handeln ärgerte sie. Es sollte Konsequenzen nach sich ziehen, irgendwann würde sie ihm beweisen, wie 'wenig' Gefahr tatsächlich von ihr ausging. Ihren Stolz nahm Diff sehr ernst. Sie war älter, wie die andern Anwesenden, und sie erwartete, dass diese ihre Lebensweisheit wertschätzten. Sie konnte das nicht einfach so stehen lassen, es war wie ein Schlag ins Gesicht. Doch momentan gab es andere Probleme. Der Schwarze, der ein noch gigantischerer Koloss war wie der Weiße, hatte auf einmal noch eine Fähe hinter sich stehen. Ein unüberschaubares Chaos drohte zu entstehen. Das ging zu weit. Die Graue konnte die Absichten der Anwesenden nicht genau einschätzen, der Weiße behauptete zwar, er sei nicht auf einen Kampf aus, doch das schwarze Monster hatte einen ziemlich blutrünstigen Gesichtsausdruck, der Diff in höchste Vorsicht versetzte.
,,Ich kann dir versichern, weder ich noch meine Gefährtin sind an einem Kampf interessiert. Dazu haben wir nicht die Kraft. Ausserdem glaube ich, uns gegenseitig zu töten wäre das mit Abstand Dümmste, was wir nun tun können. Die Zeit der Stürme naht und wir sind, so wie ich das sehe, alle allein unterwegs. Und..... zudem glaube ich, dass wir nicht ganz allein sind.´´
Verdammt... und jetzt? Kurz überlegte die Graue, ob sie handeln sollte. Sie hatte keine Lust auf eine Konfrontation mit diesem Irren. Sie war gerne die Beobachterin, die erst in die Handlung eingriff, wenn es ihr passte. Dieser Rüde drohte, ihre Imunität zu zerstören. Und er tat es natürlich auch, wie hätte es anders sein können. Genervt und doch aufmerksam wartete die Graue ab, was er tun würde. Obwohl sie darauf gefasst war, erschrak Diff, als der schwarze Riese auf einmal vor ihr auftauchte.
,,Na? Warum gesellts du nicht nicht direkt zu uns?´´
Die Graue knurrte den Rüden verärgert an. Er wollte wohl tatsächlich, dass sie ihn angriff, das sagte jedenfalls der merkwürdige Ausdruck in seinen Augen, den sie jetzt, da er so nah vor ihr stand, sehen konnte. Auch sein Grinsen wirkte nicht normal. Vielleicht hat er ein Menschengift abbekommen und dadurch charakterliche Veränderungen durchgemacht. Oder er hatte einfach etwas gestörtes an sich. Jedenfalls hatte er Diffs Konzept gestört, er war ihr unsympatisch und er ging ihr auf die Nerven.
"Lass .. mich ..in Ruhe. Glaubst du nicht, dass es einen Grund für mein Verhalten gibt?! Aber das geht dich absolut nichts an."
Ihre Worte waren nicht mehr als ein bösartiges Zischen. Dieser aufgeblasene Idiot sollte sie von Anfang an richtig einordnen können. Sie würde sich von ihm und seiner Größe nicht einschüchtern lassen. Und auch von nichts anderem. Er war jünger wie sie, das sah sie ihm an. Und das bedeutete, dass er sie zu respektieren hatte. Hier ging es nur darum zu zeigen, dass er nicht das Recht auf Frechheiten ihr gegenüber hatte. Was seine wirkliche Absicht war, interessierte die Fähe gar nicht. Sie signalisierte ihm mit hochgezogenen Brauen, dass sie seinen Auftritt lächerlich fand. Dann bedachte sie ihn noch mit einem letzten strengen Blick und kehrte ihm den Rücken zu. Strategisch gesehen war das nicht sehr klug gewesen, doch Diff war sich sicher, dass jeder so große Wolf ein relatives großes Ego besaß und sich für absolut 'unschlagbar' hielt. Deswegen war sie für den Schwarzen nicht von Belang. Er würde sie ziehen lassen. Weil sie aber doch nicht ganz darauf vertraute, begann sie zu rennen, bis zu der kleinen Versammlung hinüber, so dass sie gerade noch rechtzeitig neben den anderen ankam, um zu hören, wie die Weiße sich als Tinùviel vorstellte und ein vorsichtiges Lächeln versuchte. Diff reichte es jetzt mit diesem Theater. Wenn es keiner der Anwesenden schaffte, anstatt diesem Wortgespiele und Austesten von Autorität, Klartext zu reden, dann würde sie dem eben ein Ende setzten. Die Fähe trat einen weiteren Schritt auf die Weiße zu, sah ihr einen Moment lang in die Augen, damit sie sah, dass die Graue sich nicht verstellte und es ernst meinte. Dann begann sie mit einer klaren, ruhigen Stimme zu sprechen, während über ihnen schwarze Wolken, die ein kräftiges Unwetter ankündigten, den Himmel bedeckten.
"Mein Name ist Diff. Ich möchte euch helfen. Ich kenne mich in dieser Stadt aus und könnte euch zu einem Unterschlupf führen. Ein Sturm wird in den nächsten Stunden aufziehen, also rate ich dir, dich schnell zu entscheiden. Aber es ist deine Entscheidung. Wenn du lieber allein weiterziehst, dann werde auch ich dies tun."
Diff hoffte inständig, dass ihre bernsteinfarbenen Augen noch immer den ehrlichen Ausdruck in sich trugen, der alle anderen ihr ganzes Leben lang dazu gebracht hatte, ihr zu vertrauen. Sie warf einen besorgten Seitenblick auf Teleri. Sie würde bald anfangen zu frieren.. Die Graue entwickelte eine Sympathie zu der Welpe, die sie sich nicht erklären konnte.. Sie richtete ihren Blick wieder zu den Fremden. Falls sie sich als Feinde herausstellen würden, würde Diff die Welpe verteidigen, koste es, was es wolle..
"Ich kenne weder die Fähe noch den Rüden, aber von keinem der beiden geht wirklich eine Gefahr aus. Teleri ist noch sicher."
Teleri beobachtete das Gespräch zwischen Tinuviel und Vivir. Er wirkte irgendwie ganz nett, und was er sagte, stimmte doch. Sie war sicher. Ihre Mama war da, er war da.. Nur der schwarze Rüde wirkte unheimlich... ein seltsamer Glanz hing in seinen Augen und einmal hatte Teleri das Gefühl, dass er sie lüstern anstarrte.. Sie schob sich noch näher an ihre Mami und versteckte ihren Kopf in deren Fell.
,,Ich kann dir versichern, weder ich noch meine Gefährtin sind an einem Kampf interessiert. Dazu haben wir nicht die Kraft. Ausserdem glaube ich, uns gegenseitig zu töten wäre das mit Abstand Dümmste, was wir nun tun können. Die Zeit der Stürme naht und wir sind, so wie ich das sehe, alle allein unterwegs.´´
Er hatte also eine Freundin. Das lies ihn gleich ein wenig freundlicher wirken. Aber nur ein kleines bisschen. Auch seine Freundin wirkte so, als wäre sie in Ordnung. Der Schwarze verschwand hinter ein paar Bäumen, und kurz darauf trat die graue Fähe, die Teleri bereits gesehen hatte, hervor und kam zu ihnen herüber gerannt. Ihre Haltung signalisierte zwar, dass sie sich überlegen fühlte, doch der Blick ihrer Augen war fest entschlossen. Auch was sie sagte, klang so, als würde sie sich auf keinen Fall mehr umentscheiden. Sie wollte Tinùviel und Teleri helfen, damit war sie die Erste, die klar sagte, was sie eigentlich wollte. Das gefiel Teleri. Endlich würde etwas passieren. Sie würden mit Diff in die Stadt gehen und alles würde gut werden.. Es war nur in den letzen Stunden immer kälter geworden und die Welpe begann zu frösteln. Sie hob ihre linke Vorderpfote hoch und setzte sie wieder ab. Abdrücke entstanden im Schnee, der stetig weiter vom Himmel fiel. Die Wolken hatten sich verfinstert und es war bereits ziemlich dunkel. Teleri wollte nicht mehr hier herumstehen. Sie wollte irgendwohin, wo es trocken und warm war. Die weite Reise hatte sie außerdem sehr müde werden lassen, sie wollte jetze möglichst bald möglichst lange schlafen.
"Mami.. ? Gehen wir mit Diff. Ich bin müde.. und es ist so kalt."
Ich hab das ganze falsch angefangen, dachte sich der Rüde, als sich Diff zu ihnen gesellte und ihr Angebot unterbreitete. Dabei bemerkte er aufmerksam die Mimik und Gestik jedes einzelnen Wolfes um ihn herum. Er war kein Meister darin, aber dennoch recht gut geworden um zu behaupten, nicht hinters Licht geführt zu werden. Wen er dabei ganz besonders im Auge behielt waren der schwarze Rüde, Tinùviel, Teleri und Diff. Die Gefährtin des schwarzen Rüden machte sich durch nichts wirklich auffällig und war für ihn harmlos. Er rief sich trotzdem ins Gedächtnis, auch Sie weiter im Auge zu behalten. Teleri wirkte nicht gerade glücklich über das ewige hin und her dieser belanglosen Floskeln und bei der herannahenden Kälte war das auch wirklich verständlich.
"Mami.. ? Gehen wir mit Diff. Ich bin müde.. und es ist so kalt."
Das war der richtige Zeitpunkt. Tinùviel würde das Angebot der grauen Fähe, Argwohn hin oder her, annehmen. So glaubte er. Vivir musste sich weiter harmlos geben und sich irgendwie dieser Gruppe anschließen. Er überlegte schnell, was er sagen sollte.
"Wenn es euch nichts ausmacht, würde ich mich euch gerne anschließen", fing er dann vorsichtig an. "Ich habe leider einen sehr schlechten Orientierungssinn und würde mich hier niemals zurecht finden. Natürlich nur solange bis die Zeit der Kälte vorüber ist. Ich will euch nicht unnötig zur Last fallen."
Er bemühte sich um einen freundlichen, harmlosen Eindruck, wollte nicht provokant wirken, aber auch nicht zu viel verraten. Vielleicht funktionierte es auch durch die Tatsache, dass nicht nur Diff, wie er an ihren Augen sehen konnte, sondern auch er Welpen und in diesem Moment besonders Teleri mochte. Vielleicht konnte er über Teleri in die Gruppe kommen, obwohl es ihm missfiel, einen Welpen für so etwas benutzen zu wollen.
Es ist die einzige Chance die mir noch bleibt. Ich werde diesen Winter sonst nicht überleben.
Im Nachhinein fiel ihm auf, wie dramatisch dieser Gedanke war. Man könnte fast meinen, der riesige Rüde würde übertreiben. Leider musste er sich eingestehen, dass Größe und Kraft nicht immer von Vorteil sind. Allein und kurz vor Beginn der Zeit der Kälte ist es viel mehr eine Einladung zum sterben. Wenn diese Wölfe nun ablehnen würden, würde Vivir inein paar Tagen sterben. Ob er den Hungertod stirbt oder als Beute eines Rudels endet, wollte er lieber nicht wissen.
Diamond war sich nicht sonderlich sicher, ob es die richtige Entscheidung gewesen war. Nach über drei Monaten hatte sie sich nun zum ersten mal aus dem Wald hinaus gewagt und war in die Stadt gegangen. Es gab keine Menschen mehr und doch waren ihre Erinnerungen an die Erzählungen nicht getrübt. Nackt und entsetzlich schutzlos kam sie sich vor. Wie ein dünner Ast im Wind wurde sie immer hin und her geschubst. Ihre Augen waren getrübt, ihr Kopf leer und ihre Gefühle im Verborgenen. Man konnte ihre Trauer und Einsamkeit wie ein offenes Buch lesen, aber es änderte nichts an der Tatsache dass man sie nicht verstand, dass man ES nicht verstand, oder verstehen wollte. Die Fähe war nämlich nicht alleine. Ihr unsichtbarer Begleiter war da und folterte sie jeden Tag aufs Neue. Er war kein Stummer Begleiter und nicht aus Fleisch und Blut, oder besser, er war nicht mehr aus Fleisch und Blut. Wie Peitschenhiebe durchzuckten sie die Schmerzen, die sie verspürte, die der Unsichtbare bei ihr auslöste. Tot, ja tot wäre sie nun wirklich gerne, so wie die Menschen. Ausgestorben und nicht verdammt dazu auf diesem von Maden zerfressenen Planeten zu leben. Doch dieser Unsichtbare hielt sie jedes mal davon ab, wenn sie versuchte sich das Leben zu nehmen. Mit Hohn und Spott überflutete er sie, ließ die graue Fähe ersticken.
Auch jetzt drängte er sie. Er trieb sie dazu in die Stadt hineinzulaufen, über Schutt und Häuserreste zu klettern. Er trieb sie in den Wahnsinn und es war, als würde er sich daran ergötzen sie leiden zu sehen. Die Fähe jaulte auf und weinte, sie wollte doch nicht hier sein, sie wollte umkehren und gehen, aber man drohte ihr. Wenn sie es nicht hinbekam, dann sollte sie doch besser…sterben. Aber auf grausame Weise, auf lange und schmerzvolle, gar bestialische Art und Weise. Der Tot würde über sie kommen und verschlingen, sie sollte sterben, aber und Schreien, Wimmer und Flehen, dass es nun endlich aufhöre.
„Geh doch endlich!“
Schrie die Fähe hinaus. Was die erntete war Gelächter. Du willst, dass ich gehe? Du wirst mich niemals los, ich möchte das du leidest, bis du endlich tot bist. Aber bitte, bleibe noch ein wenig am Leben, denn es ist noch zu amüsant.
„Hör doch bitte endlich auf mich zu quälen.“ Jammerte Diamond. Sie spürte einen Schmerz in ihren Pfoten und es war, als hätte man ihr Kohlen unter die Pfoten gelegt hätte. Erschrocken und verstört sprang sie und rannte los, blind durch ihre Tränen und taub für die Welt. Daher merkte sie auch nicht, wie sie in eine Gruppe von Wölfen hineinrannte und erschöpft und wimmernd am Boden liegen blieb. Ein stummer Schrei drang aus ihrer Kehle und ihre Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen!
[allein in Stadt, bei Tinùviel, Diff, Teleri, Exellion, Lazy, Vivir]
Beunruhigt beobachtete Tinùviel wie die bisher noch unbekannte Fähe ihre Deckung aufgab und zu ihnen rannte. Dafür, dass es hieß die Städte seien verlassen, befanden sich hier überraschend viele Wölfe… Etwas, womit die Weiße nicht gerechnet hatte. Sie hatte auf die Leere der Stadt gebaut, nicht darauf dass sie hier ein ganzes Rudel an Artgenossen traf – höchstens ein oder zwei, mit denen man vielleicht den Winter verbringen könnte, aber jetzt… Die Wölfin kniff misstrauisch die Augen zusammen als sich die graue Fähe direkt an sie wandte, doch der Blick der Fremden war klar und offen, keine Spur von Heimlichkeit war darin zu sehen.
"Mein Name ist Diff. Ich möchte euch helfen. Ich kenne mich in dieser Stadt aus und könnte euch zu einem Unterschlupf führen. Ein Sturm wird in den nächsten Stunden aufziehen, also rate ich dir, dich schnell zu entscheiden. Aber es ist deine Entscheidung. Wenn du lieber allein weiterziehst, dann werde auch ich dies tun."
Tinùviel zögerte. Immerhin kannte sie die Fähe nicht, Vertrauen erweckender Eindruck hin oder her, doch schließlich nahm Teleri ihr die Entscheidung ab.
"Mami.. ? Gehen wir mit Diff. Ich bin müde... und es ist so kalt."
Tröstend leckte Tinùviel ihrer Tochter liebevoll über die kalte Nase, dann sah sie zu Diff und nickte langsam.
“Ja… Wir werden dich begleiten, danke.“
Auch der große, weiße Rüde verkündete sein Interesse Diff zu begleiten, aber Tinùviel achtete nicht auf ihn. Reglos stand sie da und spitzte die Ohren, die Augen halb geschlossen. Der Wind trug leise Geräusche zu ihnen, erst ein Jaulen, dann ein klagender Aufschrei den sie durch den die Geräusche dämpfenden Schnee aber nicht verstehen konnte. Schließlich näherten sich schnelle, unregelmäßige Schritte. Nervös sträubte sich ihr Fell und sie wandte sich den näher kommenden Geräuschen zu. Aus den wirbelnden Schneeflocken löste sich eine Gestalt, die direkt auf sie zu rannte. Kurz darauf stürmte eine graue Wölfin mitten in ihre kleine Gruppe und kam in einem Wirbel aus Schnee zwischen ihnen liegen. Verdutzt blickte Tinùviel auf die scheinbar vollkommen entsetzte Wölfin herab und trat dabei ein paar Schritte zurück, dabei schob sie Teleri mit sich.
„Alles… alles in Ordnung?“
fragte sie schwach. Es war ja wohl offensichtlich das nicht alles in Ordnung war… trotzdem hatte sie das Gefühl, etwas sagen zu müssen.
"Wenn es euch nichts ausmacht, würde ich mich euch gerne anschließen.. Ich habe leider einen sehr schlechten Orientierungssinn und würde mich hier niemals zurecht finden. Natürlich nur solange bis die Zeit der Kälte vorüber ist. Ich will euch nicht unnötig zur Last fallen."
Die plötzliche Eile des weißen Koloss' lies Diff hellhörig werden. Schlechter Orientierungssinn? Hatte er nicht erst behauptet, sich in der Stadt auszukennen? Wirklich vertrauensseelig kam der Fähe das nicht vor. Sie würde bei ihm wohl vorsichtig sein müssen.
“Ja… Wir werden dich begleiten, danke.“
Diff nickte, doch verzog keine Miene. In ihrem Inneren aber breitete sich ein Lächeln aus. Sie würde die Welpe noch eine längere Zeit beobachten können, das stimmte sie fröhlich. Die Unberührtheit der Welpe war wie Medizin für die manchmal so verbitterte Graue. Doch bevor sie weiter nachdenken konnte, hörte sie Geräusche aus dem Wald. Auch Tinúviel hatte sie gehört. Eine graue Fähe rannte direkt auf die kleine Versammlung zu und brach in ihrer Mitte zusammen. Ihre Augen hatten einen irren Ausdruck und wäre sie nicht gelähmt vor Angst oder Schreck, würde sie wohl zittern. Eigentlich war Diff dieser seltsame Auftritt egal, doch sie sollte vor den anderen vielleicht wenigstens so tun, als wäre sie besorgt. Also ging sie auf die Graue zu und begutachtete sie eine Weile. Die Liegende atmete, doch bewegte sich nicht. Vielleicht hatte sie innerliche Schmerzen, eine äußerliche Verletzung war immerhin nicht zu erkennen. Diff ging noch einen Schritt näher auf sie zu, hielt aber doch einen sicheren Abstand ein.
"Bist du verletzt?"
Mittlerweile machte die Graue sich doch Sorgen. Wo kam diese Wölfin denn nun wieder her? Irgendetwas stimmte nicht.. Sie war sich sicher gewesen, dass nirgendwo in der Stadt ein anderer Wolf gewesen war. Entweder dieser Vivir hatte sie alle angelogen, oder sie war mittlerweile zu alt, um sich alle Details merken zu können, die ihre Nase und ihre Augen ihr lieferten..
Langsam schlief Exellion zurück zur gruppe. Sie sprachen gerade darüber sich zusammen durch die kälte zu schlagen. Nach einem kurzen blick auf seine Gefährtin war Ex klar was sie wollte und was er wollte.
,,Wenn du erlaubst würden ich und meine Gefährtin die begleiten´´
Es passte Exellion gar nicht das er sich auf jemand fremden verlassen musste. Doch es war die einzige möglichkeit die kälte halbwegs unbeschadet zu überstehen. Die ganze szenerie passte Exellion gar nicht. Es wäre vermutlich besser gewesen sie wären niemals jemandem begegnet. Doch nun musste er sich wieder an ein, nun ja Rudel kann man es ja nicht nennen, eine Gruppe gewöhnen. Zum wolle seiner Gefährtin war dies die beste Entscheidung.
,,Allerding haben wir nochimmer ein problem. Beute schein ees hier nicht wirklich viel zu geben. Man müsste weit in den Wald um etwas zu finden. Oder habt ihr dafür auch schon eine Lösung?´´
Die wahrscheinlich heikelste frage überhaupt. Hoffentlich wusste Diff weiter.
Lazy war nervös einige Schritte vor den fremden Varg zurückgewichen als Exellion davongerannt war. Sie verfolgte sein Gespräch mit der fremden Fähe. Als diese ihren Gefährten hinter sich ließ und zu der weißen Fähe ging hörte Lazy aufmerksam zu, als die Graue von einem Unterschlupf berichtete. Lazy blickte zum Himmel. Die Fähe hatte Recht, ein Sturm nahte. In der Ferne hörte Lazy Donner rollen. Sie wurde abgelenkt, als ihre scharfen Ohren aus der Ferne einen Schrei vernahmen. Die weiße Fähe hatte ihn wohl auch vernommen, denn ihr Fell sträubte sich leicht. Urplötzlich stürmte eine fremde Fähe wimmernd auf die Gruppe zu. Lazy erschrak, duckte sich und wich noch weiter zurück.
So viele Varg an einem Ort? Das wird langsam unheimlich...
Sie schüttelte sich und richtete sich auf. Die Graue und die Weiße sprachen zu der am Boden liegenden Neuen. Lazy war unsicher. Sollte sie auch nähertreten? Der große weiße Rüde machte ihr noch immer Angst. Zwar war er nicht größer als Exelion, und seine Fänge waren nicht ganz so riesig, aber immerhin überragte er Lazy um mehr als eine Kopfhöhe. Die kleine Fähe ließ ihren Blick über den grauen Platz streifen. Eine Bewegung ließ sie den Kopf drehen. Exellion kam auf sie zu. Erleichtert lief sie ihm einige Schritte entgegen. Offenbar hatte er das Gespräch ebenfalls mitgehört, denn nach einem kurzen Blick auf Lazy sagte er:
,,Wenn du erlaubst würden ich und meine Gefährtin die begleiten´´
Ein leises Lächeln stahl sich in Lazys Gesicht. Er hatte sie nur anzusehen brauchen, und schon wusste er dass sie sich nach einem sicheren Platz sehnte. Sie trat noch einen Schritt näher an ihn und schmiegte den Kopf kurz an seine Schulter. Höher kam sie nicht, ohne sich auf die Hinterpfoten zu stellen.
,,Allerding haben wir noch immer ein problem. Beute schein es hier nicht wirklich viel zu geben. Man müsste weit in den Wald um etwas zu finden. Oder habt ihr dafür auch schon eine Lösung?´´
Lazy horchte auf. Das hatte sie über all der Aufregnung ganz vergessen. Ihr Magen begann langsam sich über die mangelnde Zufriedenstellung zu beschweren. Doch da war immer noch das Problem mit der wimmernden Fähe die auf dem Boden lag. So viele Probleme auf einmal! Inzwischen fuhr der Wind kalt und unangenehm durch Lazys Fell und verteilte Schneeeflocken darin. Das Unwetter kam näher. Leise sagte sie:
"Ich denke es ist erstmal wichtig dass wir zu diesem Unterschlupf kommen. Der Sturm wird nichtmehr lange auf sich warten lassen, und ich denke für die Welpe wäre es das Beste ihm nicht auf freiem Feld zu begegnen."
Ihre Augen strichen besorgt über die kleine Weiße.
Es ist so lange her dass ich einen Welpen gesehen habe, doch es füllt mein Herz noch immer mit Freude.
Sie blickte auf die am Boden liegende Fähe. Sollten sie sie zu dem Unterschlupf tragen? Sicher war niemand hier so herzlos sie einfach zurückzulassen. So viele Sorgen...
Diamond fühlte sich müde und ausgelaugt. Sie hatte aufgehört zu zappeln und der Schnee rieselte in winzigen Tröpfchen auf sie herab. Erst jetzt bemerkte sie, dass andere Wölfe um sie herum standen und rappelte sich mühsam auf. In ihren Pfoten spürte sie einen stechenden Schmerz, wohl von dem Sturz verursacht. Die Wölfin wollte umkehren und weggehen, denn sie hatte nichts bei diesem Rudel verloren. Eine weiße Wölfin hatte gefragt, ob alles in Ordnung sei, eine Andere fragte, ob sie verletzt war. Nein, es war nichts in Ordnung und ja sie hatte sich verletzt, aber das spielte keine Rolle. Töte sie! Töte sie alle!
Diamond jaulte auf, weil die Stimme in ihrem Kopf sie erschreckt hatte und machte einen Satz nach vorne, nur um wieder im Schnee zu landen. Unsicher drehte sie sich um und blickte an den Wölfen vorbei. Für die Anderen wohl unsichtbar, aber für sie zu greifbar wie der Schnee unter ihren Pfoten stand ein großer, schwarzer Wolf auf einer umgestürzten Steinsäule. Er war beinahe so groß wie der weiße Rüde, welcher in der Nähe des schwarzen stand. Angstvoll weiteten sich die Augen der Grauen und sie ging zwei, dann drei Schritte näher, bevor sie innehielt. „Das ist unmöglich, das kannst du nicht von mir verlangen!“
Der schwarze Wolf ihr gegenüber knurrte bedrohlich und die Fähe wich zurück. Dann begann sie zu knurren und zog ihre Lefzen hoch, ihre Rute richtete sie steil auf und blickte sich um. In ihren Augen stand purer Hass und Mordlust. Es war nichts mehr übrig von der verletzten und wimmernden Wölfin, zurück war eine Killermaschine geblieben. So ist es brav, hasse sie, hasse sie alle! Mit bedachten Schritten und angespannten Muskeln trat sie näher an die Gruppe heran und startete einen Scheinangriff auf die weiße Wölfin, welche zuerst gesprochen hatte, dann tat sie das gleiche bei der grauen Wölfin und beim ganzen Rest. Erreichen wollte sie damit, dass sie alle Abstand zu ihr erreichten, was dem Unsichtbaren auffiel und missfiel. Die Fähe sah, dass der schwarze Wolf sich auf sie stürzte und im letzten Moment erst sprang sie zur Seite. Für die anderen Wölfe musste es so aussehen, als würde sie gegen sich selbst kämpfen, da sie ihn nicht sehen konnten. „Ich will sie nicht töten! Lass es nicht zu, dass ich das tue, bitte!“
Begann sie zu betteln und wisch dem Nichts aus. Dann ließ der Wolf von ihr ab und verkroch sich hinter einer Häuserwand, für einen Moment war sie alleine. „Warum hilft mir denn keiner?“ Flüsterte sie leise und sank wieder in sich zusammen. Sie wollte weg, einfach nur weit fort, wo man sie nicht finden konnte